Samstag, 24. Januar 2009
 
Der Weg nach Mekka PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Stefan Mayer   
Freitag, 28. November 2008
Jüdisches Filmfestival 2008: Trotz Geldmangels Kino und Diskussion auf höchstem Niveau

Erst letztes Jahr wurde die Jüdische Filmwoche zum zweiwöchigen Jüdischen Filmfestival erweitert, das heuer von 13.-27. November stattfand. Aber auch diesmal hatte das Filmfestival mit notorischer Unterfinanzierung zu kämpfen und konnte nur aufgrund des großen persönlichen Engagements der Veranstalter Monika und Frédéric-Gérard Kaczek und zahlreicher Unterstützer durchgeführt werden.

Dabei ist das Filmfestival auch Ausdruck einer sich neu formierenden jüdischen Gemeinde in Wien und ein wichtiger Ort der Diskussion und des Austauschs, der gerade in einer Stadt mit dem kulturellen Anspruch und dem historischen Erbe Wiens auch im Jahr 2008 einen wichtigen Beitrag zum interreligiösen Dialog und zur kulturellen Vielfalt leistet.

Als nur ein Beispiel von vielen für die Diskussionen und Begegnungen, die im Rahmen des Festivals ermöglicht wurden, sei das Publikumsgespräch erwähnt, das nach der Österreich-Premiere des Films „Der Weg nach Mekka“ am 15.11. im Votivkino stattfand. Der Film zeichnet das Leben des Leopold Weiß nach, der im Jahr 1900 als Sohn jüdischer Eltern in Lemberg geboren wurde und nach seiner Konversion zum Islam als Muhammad Assad zu einem bedeutenden muslimischen Intellektuellen und Brückenbauer zwischen dem Islam und dem Westen avancierte. Im Anschluß an den Film stellten sich der Regisseur und Drehbuchautor des Films, Georg Misch, sowie Vertreter der muslimischen Gemeinde in Österreich der Diskussion, die sich um die Frage entspann, welche Bedeutung fast in Vergessenheit geratene Vordenker wie Weiß/Assad für den schwierigen Dialog zwischen Judentum, Islam und säkularen Traditionen des Westens angesichts der angespannten geopolitischen Situation im 21. Jahrhundert haben können. Dabei zeigte sich einmal mehr, dass sich jenseits von religiösen und dogmatischen Vorurteilen durchaus Anknüpfungspunkte zur intellektuellen und künstlerischen Auseinandersetzung mit dem jeweils „Anderen“ bieten.

Die Dringlichkeit eines solchen vorurteilsfreien Dialogs braucht angesichts der Konflikte (nicht nur) im Nahen Osten wohl kaum betont zu werden. „Der Weg nach Mekka“ ist derzeit übrigens nicht nur auf jüdischen Filmfestivals in aller Welt und vor allem auch in Israel zu sehen, sondern wird auch in zahlreichen arabischen Ländern gezeigt. Die vielbeachtete Koranübersetzung Assads trägt übrigens die Widmung „to people who think“, und Denkanstöße bot das JFF ´08 einem aufgeschlossenem Publikum dank seines breitgefächerten Spektrums an Filmen aus aller Welt auch sonst zur Genüge. Die Themenschwerpunkte des diesjährigen Festivals lagen auf einer Retrospektive des Schaffens des jüdischen Schauspielers und Regisseurs Otto Tausig, dessen Werk von den Themen der Emigration und der Rückkehr geprägt ist; im Rahmen der Retrospektive jiddischen Filmschaffens wurden Werke der Regisseure und Produzenten Sidney Goldin und Joseph Seiden gezeigt. Weitere Schwerpunkte umfassten unter dem Titel „Fokus Israel und Palästina“ spannende Produktionen israelischer und palästinensischer Filmschaffender, die sich mit Geschichte, Gegenwart und Gesellschaft ihrer beiden Kulturen auseinandersetzen.

Darüber hinaus wurden im Schwerpunkt „Premieren“ einige österreichische und internationale Dokumentar- und Spielfilme erstmals in Österreich gezeigt. Ein reichhaltiges Programm also, das von den Veranstaltungen im historischen jüdischen Theater im Nestroyhof im zweiten Bezirk hervorragend abgerundet wurde. Das Jüdische Filmfestival stellte also auch heuer wieder eine Bereicherung des kulturellen Lebens der Stadt, ein Forum der Auseinandersetzung und des Kennenlernens, der Diskussion und nicht zuletzt des Filmgenusses dar, das intellektuelle und künstlerische Positionen und Bruchlinien sichtbar machte: bleibt nur zu hoffen, dass diese Institution der Stadt Wien auch in kommenden Jahren erhalten bleibt – und durch entsprechende Unterstützung der öffentlichen Hand auch finanziell gesichert wird.

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